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Am 25. Mai 1975 feierte die evangelische Kirchengemeinde Bislich-Diersfordt-Flüren das 200-jährige Bestehen der Diersfordter Schlosskirche

Schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts gab es im Pfarrbezirk Bislich eine Diersfordt genannte Burg, die sich im Besitz der Herren von Hessen befand. 1401 wurde dann das uradelige Adelsgeschlecht derer von Wylich mit Haus und Gut Diersfordt belehnt. Der Schlossherr stieg bald zu einem der bedeutendsten Männern im Herzogtum Kleve auf.

Auch eine Kapelle scheint schon früh – spätestens ab 1492 – zum Ensemble der Schlossanlage gehört zu haben. Diese lag zwischen dem Haupthaus und dem großen, heute „Porthaus“ genannten Kornhaus. Diese mittelalterliche Einteilung ist noch heute sichtbar, wobei unklar ist, ob die Schlosskirche am selben Ort errichtet wurde wie die Kapelle.

Ursprünglich ließen sich viele Familienmitglieder der von Wylichs im Kloster Marienfrede bei Loikum bestatten, was aber nach den verheerenden Zerstörungen in Folge des Dreißigjährigen Krieges nicht mehr möglich war. So legte dann Johann Hermann Freiherr von Wylich (1612–1680) als neuer Schlossherr 1649 anlässlich seiner Heirat ein neues Kirchenbuch an. Aus den Eintragungen darin geht hervor, dass in Diersfordt auch eine Begräbnisstätte eingerichtet wurde, die man aber nicht genauer verorten kann.

Die im Achtzigjährigen und im Dreißigjährigen Krieg schwer beschädigte Kapelle muss mehrfach und kontinuierlich instandgesetzt worden sein, denn bis 1767 sind Beerdigungen in Diersfordt nachweisbar. Im Zuge der regen Bautätigkeit des neuen Diersfordter Schlossherren Alexander Hermann Freiherr von Wylich (1698–1776) wurde dann auch die Idee eines völligen Neubaus einer Schlosskirche umgesetzt.

Pläne und Zeichnungen der neuen Kirche stammten vom aus Kleve stammenden Landbaumeister Frank, der auch die Ausführungen der Arbeiten überwachte. Alexander Freiherr von Wylich hat die ersten sieben Verträge zur Umsetzung des Baus noch eigenhändig geschrieben und unterzeichnet. Als er am 23. Mai 1776 verstarb, war der Rohbau – Dachkonstruktion, Hauptgesims, Wappenstück mit dem von Wylichschen Familienwappen – fertiggestellt, sodass anzunehmen ist, dass 1774/75 mit dem Bau begonnen wurde. Neuer Schlossherr wurde Christoph Alexander Freiherr von Wylich (1753–1831), der sämtliche Bauvorhaben seines Onkels fortführte und schon kurz vor dessen Tod einen weiteren Bauvertrag unterzeichnete.

Für den Rohbau zeichneten u.a. die Weseler Meister Falk und Bettger (Mauerwerk) sowie der aus Ratingen stammende Meister Scholl (Hauptgesims) verantwortlich. Großen Einfluss auf die Ausgestaltung der Schlosskirche hatte auch der bekannte Weseler Meister Claude Collet – als Soldat aus Lothringen an den Niederrhein gekommen –, der die Wappen-Inschriften (1775), die Kirchentür aus Diersfordter Eichenholz (1776) und die Kanzel (1776) gestaltete. Die Orgel (1778) baute der aus Duisburg stammende Meister Abraham Ritter, der u.a. 1774 schon das Instrument der evangelischen Kirche in Hamminkeln geschaffen hatte.

Die verfügbaren Quellen geben keine Auskunft darüber, wann die Kirche geweiht wurde oder wie der Innenraum im Detail ausgestaltet war. Eine Dissertation aus dem Jahr 1933 beschreibt den besonderen Baubefund aber relativ genau. Der Kirchenbau werde demnach von einer Rechteckanlage mit einem Chorschluss bestimmt, der als dem Quadrat angenähertes Schiff mit halbkreisförmigem Chor zu bezeichnen sei. Die Orgelbühne an der Hauptstirnwand sei im Mittelteil segmentförmig zurückgenommen und erzeuge zusammen mit dem Chor und der Decke den Eindruck eines zylindrischen, mit einer Kuppel geschlossenen Zentralraumes.

Die überlieferten Verträge geben auch keine Auskünfte über die Kirchenglocken. Als während des Zweiten Weltkrieges aber Kirchenglocken zum Einschmelzen an die Kriegsindustrie abgegeben werden sollten, wurde in Diersfordt eine kurze Liste anfertigt. Demnach gäbe es zwei Glocken, wovon die ältere schon aus dem Jahr 1747 stamme und von Gießer Sternemann – wohl der spätere Weseler Gelbgießer Hendrik Sterneman – stamme. Die zweite Glocke habe 1790 der Glockengießer Voigt aus Isselburg gefertigt. Die erste Glocke verblieb aufgrund des geringen Gewichts von nur etwa zehn Kilo in Diersfordt. Die zweite Glocke musste zwar abgeliefert werden, kam aber nach dem Krieg auf wundersame Weise nach Diersfordt zurück.

Nach ersten provisorischen Instandsetzungsarbeiten in Folge der Zerstörungen und Plünderungen im und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg konnte die Schlosskirche – laut einem Protokoll der Kreissynode Wesel – am 4. Dezember 1951 wieder der Gemeinde übergeben werden. Das Gebäude befand sich aber nach wie vor nicht in besonders gutem Zustand, was die vielen Renovierungsarbeiten der Folgejahre nachdrücklich unterstreichen.

Die bekannte Weseler Künstlerin Eva Brinkmann arbeitete von Mai 1957 bis April 1959 immer wieder an Schnitzereien – für Kanzel und Empore – im Kirchenraum. 1959 ging die Schlosskirche dann – im Zuge der Auflösung des Diersfordter Patronats – aus dem gräflichen Besitz der Familie Stolberg-Wernigerode zur Evangelischen Kirchengemeinde Bislich-Diersfordt-Flüren über. Auch danach kam es zu weiteren größeren Renovierungsmaßnahmen; so zwischen 1967 und 1974 und im Jahr 2000, als der gesamte Innenraum neu ausgemalt, die Dachkonstruktion verfestigt und alle Kupferabdeckungen ausgebessert wurden. Seit 2012 verfügt die Kirche außerdem über eine neue Orgel des Orgelbaumeisters Rainer Müller aus Merxheim.

Da das genaue Datum der Kirchenweihe nicht überliefert ist, entschied sich das Presbyterium, das 200-jährige Bestehen der Schlosskirche in Diersfordt am 25. Mai 1975 mit einem Gottesdienst zu feiern.

Die um 1780 vollendete Schlosskirche – mit Platz für etwa 120 Gläubige – verkörpert nach wie vor den typischen Gegensatz zwischen der Prunkliebe uradeliger Freiherren und den eher strengen Bauvorgaben der evangelischen Kirche und gilt damit zu Recht als ein Juwel am Niederrhein.

(Autor: Dr. Heiko Suhr)

Abbildung: Die Schlosskirche in Diersfordt (2004) (StAW N83: Ekkehard Malz)