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Am 3. November 1822 wird die Evangelische Kirche in Neu-Büderich geweiht

Preußen trat im Dezember 1805 im Vertrag von Schönbrunn Festung und Stadt Wesel an Frankreich bzw. genauer an das neu geschaffene Großherzogtum Berg ab. Frankreich baute die Festung in der Folgezeit dann unverzüglich zur Sicherung seiner Nordgrenze aus. Am 1. und 2. November 1811 weilt Napoleon sogar persönlich in Wesel, um sich u.a. die Befestigungsanlagen der Stadt zeigen zu lassen. Um seine strategischen Interessen mit Wesel als Brückenkopf durchzusetzen, ließ Napoleon unmittelbar vor der alten Stadt Büderich das Fort Napoleon erbauen – später Fort Blücher – und dazu Alt-Büderich im Dezember 1813 abreißen.

Als Wesel und auch Büderich 1814 wieder an Preußen fielen, wurde umgehend der Wiederaufbau der Stadt Büderich geplant. Eine sogenannte französische Liquidations-Kommission in Paris erklärte sich am 19. Mai 1817 bereit, gut 600.000 Francs Entschädigung zu zahlen. Der Streit darum hatte sich lange hingezogen und sich immer wieder auch an den öffentlichen Gebäuden – bis hin zu den Kirchen-, Schul- und Armengebäuden – entzündet.

Die Kirche in Alt-Büderich war noch simultan – also von der katholischen und der evangelischen Gemeinde – genutzt worden. Neubüderich hingegen plante man von Anfang an mit zwei Gotteshäusern, die entsprechend der Gemeindegröße konzipiert werden sollten. Die evangelische Gemeinde Büderichs sah sich mit einer Art von Kapelle abgespeist und verlangte selbstbewusste die Hälfte der Entschädigungsgelder, was aber letztlich nicht umgesetzt, sondern mit der Größe der konfessionellen Volksschulen aufgerechnet worden ist. Anders als die katholische Gemeinde – die über eine Notkirche an alter Stelle verfügte – wurde der Gottesdienst der evangelischen Gemeinde bis zur Fertigstellung des Neubaus im Haus von Peter Cranen am Markt in Büderich abgehalten.

Die Planung des Architekten und preußischen Baubeamten Otto von Gloeden (1788–1840) – der im April 1815 nach Wesel geschickt worden war, um den gesamten Wiederaufbau zu überwachen – sah eine einfach gehaltene und rechteckige Saalkirche mit Satteldach und rundbogigen Fenstern vor, und zwar an der südlichen, dem Marktplatz zugewandte Seite Büderichs.

Karl Friedrich Schinkel, der die Pläne Gloedens für die Berliner Oberbaudeputation überarbeitete, behielt bei seiner Planung die einfache Form mit mittig vorgestelltem Turm – als typische Ausformung des ländlichen Kirchenbaus der Region – bei. Die geplanten Bögen der Fenster setzte er jedoch nicht um, sondern entschied sich auf den Längsseiten des Kirchenschiffes für eine mit Pfeilern gegliederte Fensterzone. Die Ecken des Gebäudes bildete Schinkel in Form von Vorsprüngen aus. Den Turmhelm konzipierte er als einfaches und flaches Zeltdach. Im Inneren verändert Schinkel den Entwurf Gloedens nur dahingehend, dass er die Kanzel in der Mitte der vorgesehenen Empore anbringen ließ.

Auf Basis von Schinkels Planung erfolgt am 26. September 1820 die Grundsteinlegung der evangelischen Kirche im Stile des Klassizismus. Am 3. November 1822 wurde das Gebäude dann feierlich eingeweiht. Noch im gleichen Jahr wurde auf dem Kirchturm ein eisernes Kreuz mit einem vergoldeten Schwan montiert. Auch zwei Glocken wurden aufgehängt. 1830 wurde schließlich auf der Empore auch eine Orgel eingebaut.

Restaurierungsmaßnahmen hat es an der evangelischen Kirche nach der Weihe 1822 in großer Regelmäßigkeit gegeben. Schon 1829/1930 musste das Dach repariert werden, 1834 ist eine neue Turmuhr mit vier vergoldeten hölzernen Zifferblättern montiert worden und 1877 erhielt der Turm einen neuen Helm, der Schwan wurde durch einen Hahn ersetzt. 1903 wurde das Kirchengebäude mit Zement verputzt, 1904 wurde das Geläut durch eine dritte Glocke ergänzt und 1911 musste das Dach neu in Schiefer eingedeckt werden.

In beiden Weltkriegen wurden auch Büdericher Kirchenglocken – u.a. für Munition – eingeschmolzen, so im Ersten Weltkrieg eine und im Zweiten Weltkrieg sogar zwei Glocken. Bis März 1945 wurde das Kirchendach zerstört sowie durch Artilleriebeschuss auch der gesamte Innenraum.

Im Jahr 1948 begann in Büderich der Wiederaufbau der evangelischen Kirche, der mit der erneuten Einweihung am 25. September 1949 vorläufig abgeschlossen war. Ab 1955 bestand das Geläut der Kirche dann aus vier Glocken. In den Jahren 1957 bis 1959 kam es zu weiteren Wiederherstellungsmaßnahmen und 1962 bekam das Gebäude eine neue Orgel.

In den 1990er Jahren hat es abermals umfassende Erneuerungsarbeiten gegeben. Dabei wurde u.a. das Mauerwerk instandgesetzt und der Turm mit einer schlichten Fassade neu verputzt sowie – in einer spektakulären Aktion im Juni 1997 – mit einem flachen Pyramidendach neu eingedeckt. Außerdem erhielt die Kirche im rückwärtigen Teil des Kirchensaales eine geschlossene Orgelempore mit darunterliegender Sakristei. Abschließend erfolgte ein heller Anstrich. Am 21. August 1998 wurde das Turmkreuz erneuert und der neue vergoldete Schwan aufgesetzt. Der erste Gottesdienst in der fast vollständig sanierten Kirche fand am 3. Oktober 1999 statt.

Seit 1986 sind die evangelische Kirche, das zugehörige Pastoratsgebäude sowie die katholische Pfarrkirche St. Peter offiziell als Denkmäler anerkannt.

(Autor: Dr. Heiko Suhr)

Abbildung: Außenansicht der evangelischen Kirche in Büderich (zwischen 1877 und1935) (StAW O1a, 13-4-4)