Scrollpfeil

Der Schwanenhof in Ginderich

Zur Geschichte des wohl ältesten Hofes in Ginderich.

Ein kurzer Trailer, der einen Eindruck von der Entwicklung Ginderich's und dem Schwanenhof vermittelt.

Mit herzlichen Dank an Hermann Verweyen-Thernagels, der uns den Beitrag und die Bilder zur Verfügung gestellt hat. Ebenso herzlichen Dank an "Lotti" Fenger für die inhaltliche Unterstützung.

- Von Adelheid Schmitz, Ginderich, den 12. März 1961 -

„Mit Gott“ beginne ich diese Niederschrift über unseren elterlichen Hof, den Schwanenhof in Ginderich, in der Nähe der Kirche, an der Schwanenhofstrasse gelegen.

Hierdurch soll unseren Nachkommen, aus alten Schriften zusammengefügtes, sowie mündlich Überliefertes und Selbsterlebtes, für spätere Zeiten übermittelt werden.

Der Schwanenhof ist im Besitze von Everhard Schmitz aus Gest und seiner Ehefrau Adelheid, geborene Thenagels, gebürtig auf dem Schwanenhof zu Ginderich.

Der Schwanenhof ist der älteste Hof des Dorfes. Vermutlich ist er der Ausgangspunkt der Dorfentwicklung. Im Mittelalter hatte er für die Gindericher große Bedeutung. Hier wurde etwa seit dem Jahr 1400 das Schöffensiegel aufbewahrt und hier sprach der Richter von Ginderich Recht. Seitdem der Herzog von Kleve 1475 den Hof erwarb, hieß er Schwanenhof. Bis zum Tode des letzten Herzogs von Kleve im Jahre 1609 blieb er im Besitz desselben.

Ginderich ist der älteste Wallfahrtsort am Niederrhein. Schon im 12. Jahrhundert wurde hier in der Kirche von zahlreichen Wallfahrern von nah und fern ein wundertätiges Gnadenbild verehrt. Im 17. Jahrhundert kam die Wallfahrt zum Erliegen. Um den Wallfahrern Unterkunft zu bieten soll nach mündlicher Überlieferung in fast jedem Hause in Ginderich eine Gastwirtschaft gewesen sein.

Auch auf dem Schwanenhof war mit der Landwirtschaft eine Gastwirtschaft verbunden. Durch Kauf erwarb unser Vater Hermann Thenagels im Jahre 1893 die 52 Morgen große Seelsche Weide auf dem Eyland.

Das Schöffensiegel

Nach seiner Ansicht war die Bewirtschaftung eines größeren Hofes mit der Unterhaltung einer Gastwirtschaft nicht vereinbar. Daher wurde im Jahre 1893 die Gastwirtschaft aufgegeben.

Der Schwanenhof wurde im Laufe der Zeiten von manchem Missgeschick heimgesucht. Im Jahre 1846 vielen die ganzen Gebäude einem Brande zum Opfer. Fast das ganze Mobiliar wurde vom Feuer vernichtet. Zwei wertvolle Truhen, eine mit der Jahreszahl 1794, die heute noch eine Zierde der Diele sind, ein großer Glasschrank, der leider nach dem 1. Weltkrieg, während der Besatzungszeit von den Belgiern erworben wurde und ein Waffeleisen sind die einzigsten Gegenstände, welche gerettet wurden. Auf dem Waffeleisen stehen die Namen Elisabeth Tenbieg, Rainer Ingenand.

Der Schwanenhof während des Brandunglücks 1956

Das zweite große Brandunglück erlebten wir am 27. November 1956. Um die Mittagszeit standen Scheune und Schweinehaus in Flammen. Die Rheinische Post berichtete am nächsten Tag folgendes:

„Die Ernte vernichtet - Schweres Schadenfeuer in Ginderich"

Kurz nach 12 Uhr ertönten Notglocke und Brandsirenen in Ginderich. Die Scheune des Bauern Everhard Schmitz auf dem Schwanenhof stand in Flammen. Durch den starken Nordweststurm war das Wohn- und Hinterhaus stark gefährdet. Der rasch an der Brandstelle eintreffende Löschzug der Feuerwehr Ginderich konnte ein Übergreifen des Feuers verhindern. Die Scheune und das Schweinehaus wurden vernichtet. Vieh kam nicht zu Schaden, aber fast die ganze Ernte des über 100 Morgen großen Betriebes, außerdem wertvolle Maschinen der Landwirtschaft gingen verloren. Die Brandursache ist noch nicht geklärt. Bei der Bekämpfung des Brandes bewährten sich die neu angelegten Brandbrunnen. Der Löschzug Büderich kam der Gindericher Feuerwehr zu Hilfe. Der Schaden wird auf 67.000 M. geschätzt.“

Die niedergebrandte Scheune

In der Scheune war eine Sauerkrautfabrik eingerichtet. Es wurde der selbst angebaute Weißkohl zu Sauerkraut verarbeitet und in Fässern in die Städte versandt. Bis zu 25 Morgen wurden im Jahre zeitweise mit Kappes bepflanzt.

Einschneidemaschine, Bohrmaschine, Bottiche und sämtliche Fässer wurden vom Feuer vernichtet. Aus diesem Grunde und auch aus Mangel an Arbeitskräften wurde seit dieser Zeit die Sauerkrautfabrikation stillgelegt.

Ein Eimer mit Sauerkraut

Das Dorf Ginderich liegt 1 km vom Rhein entfernt im Überschwemmungsgebiet. In früheren Jahren führte der Rhein fast in jedem Winter Hochwasser. Die Weiden zwischen Bislicher Insel und Ginderich wurden davon überflutet. Der durch die Strömung mitgeführte Schlick lagerte auf den Weiden und machte sie äußerst fruchtbar.

Zu besonders schweren Hochwasserkatastrophen kam es im Jahre 1855 und zu unseren Lebzeiten in den Jahren 1920 und 1926.

Im Jahre 1855 herrschte eine grimmige Kälte; der Rhein war zugefroren. Am Oberrhein trat plötzliches Tauwetter ein, während der untere(?) Rhein noch fest stand. Die Eismassen und das nachfolgende Wasser fanden keinen Abfluss und stauten vor den Dämmen. In Wallach zerbrach, infolge des starken Druckes, der Damm; das Wasser suchte einen Ausweg, der Rhein nahm seinen Lauf durch die Ortschaften Borth, Wallach, Menzelen, Büderich, Ginderich und überflutete diese. Das Wasser muss, wie erzählt wurde, sehr schnell gestiegen sein.

Auf dem Schwanenhof standen sämtliche Gebäude im Wasser. In den Wohnräumen stieg das Wasser 2 Fuß hoch. Der Kuhstall liegt hochwasserfrei, die Pferde wurden im Entreezimmer untergebracht, auch die Pferde vom benachbarten Billemannshof.

Während des Hochwassers wurde unsere Tante, Vaters Schwester Anna, geboren. Der Pfarrer musste mit dem Nachen bis zur Haustür fahren und spendete der Neugeborenen im oberen Stockwerk die Taufe. Das Hochwasser führte ausgerissene Bäume und viel Geröll mit, die Häuser gefährdeten. An der Beek in Xanten sollen dann 13 Personen ertrunken sein. Im Jahre 1920 erlebten wir zum ersten Male Hochwasser. Nachdem es seit November sehr viel geregnet und geschneit hatte, stieg der Rhein sehr schnell; in der Neujahrsnacht flossen die Wassermengen über die Dämme unter mächtigem Brausen und überfluteten Wiesen und Felder. Am folgenden Morgen stand es bis zur Kirche.

Die Gindericher Kirche während des Hochwassers.

Im Jahre 1926 stieg das Hochwasser noch höher, es stand ½ Meter in der Kirche.

Das war eine schwere Zeit für die Bewohner Ginderichs. Viele Häuser standen im Wasser. Die Bewohner lebten vielfach im oberen Stockwerk auf ungeheizten Zimmern. Es fehlte an gutem Trinkwasser. Der Transformator stand unter Wasser, der elektrische Strom war infolge dessen ausgeschaltet. Mittels Nachen wurden der Bevölkerung die notwendigsten Lebensmittel gebracht. Die Milch wurde mit dem Nachen von den einzelnen Höfen zur Molkerei gefahren, welches bei der starken Strömung des Hochwassers oft gefährlich war. Die Arbeit, außer der Verpflegung des Viehs, ruhte ganz. Die Jugend vertrieb die Zeit mit Kahnfahren.

Nachdem das Wasser nach etwa 8 – 10 Tagen abgeflossen war, stellten sich an Häusern und an Feldern und Wiesen unabsehbare Schäden heraus; das Getreide war vollständig vernichtet; die Wiesen wurden zum großen Teil übersandet.

Hier enden die Aufzeichnungen von Frau Adelheid Schmitz.