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Die Willibrordi-Kirche

Der „Weseler Dom“ am Großen Markt. Als bedeutendes Baudenkmal steht er für den wirtschaftlichen und politischen Aufschwung und die Konvertierung einer ganzen Stadt zum neuen reformierten Glauben.

Die Genese als Computerrekonstruktion

Hier an dieser Stelle, in näherer Umgebung zu einem fränkischen Gutshof, konnte bereits für die Zeit um 800 n. Chr. eine erste schlichte Holzkirche nachgewiesen werden. Mit Abmessungen von 4.48m x 10.00m und einem Vorbau mit einer Breite von 3.80m war der Bau in Stabbauweise auf einem Pfahlfundament errichtet worden. Ihr folgte ein steinerner Saalbau aus dem 11. Jahrhundert. Bei weiteren Ausgrabungen konnten die Fundamente einer romanischen, dreischiffigen Basilika aus dem 12. Jahrhundert belegt werden. Drei Jahrhunderte später finden wir an dieser Stelle eine gegenüber dem Vorgängerbau allseits vergrößerte Basilika vor. Wie diese Vorbauten ausgesehen haben könnten, zeigen die Rekonstruktionen, basierend auf den Ausgrabungsergebnissen.

Im Jahr 1424 beschließt der Rat der Stadt den Umbau der Willibrordi-Kirche zu einer wiederum vergrößerten dreischiffigen Stufenhalle. Im Inneren von den Gilden und Bruderschaften mit Altären geschmückt, werden in ihr nicht nur Gottesdienste gefeiert. Sie ist auch Begräbnisstätte angesehener Familien und dient dem Rat bei Versammlungen als Tagungsstätte.

Ab dem Jahr 1501 erfolgt nochmal eine Erweiterung, diesmal auf fünf Schiffe. Wenn wir heute die Willibrordi-Kirche betrachten, sehen wir ungefähr den Ausbaustand von 1540, denn er diente als Vorlage für den Wiederaufbau der zerstörten Kirche nach dem 2. Weltkrieg.

Prof. Dr. Dr. Deurer erläutert die Entscheidung zum Wiederaufbau des Doms

Dieser Kirchenbau von 1540 war aber nicht die Endausbaustufe. Die Reformation kam dazwischen. So wurden der Chorumgang und der Kapellenkranz nicht bebaut. Auf die Gewölbe der Hochschiffe samt notwendigem Strebepfeilersystem wurde verzichtet. Statt dessen wurden flache Holzdecken eingezogen. Die Giebelseiten des Querschiffes wurden baulich einfach gehalten.

Am 11. Januar 1594 kommt es zu einem heftigen Blitzeinschlag. Das Turmdach stürzt ein. Turmuhren und Glocken werden zerstört. Aber auch die Gewölbe der Seitenschiffe und die Säulenkapitelle werden beschädigt. Herabstürzende Bauteile verwüsten den Altarraum und zerschmettern das Kirchgestühl und die Abtrennung des Priesterbereichs vom übrigen Kirchraum, den sogenannten Lettner.

Die Kirche im desolaten Zustand. Quelle: Stadtarchiv Wesel

Den Wiederaufbau finanzieren reiche Bürger und Bruderschaften durch Spenden. Aus Kostengründen wird statt einer hohen Turmhaube aber nur eine flache hölzerne Kappe auf den Glockenturm gesetzt. Für drei neue Uhren und neue Glocken reicht das Geld allerdings. Mit dem spanisch-niederländischen Krieg Ende des 16. Jahrhunderts verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage der Stadt. Der Unterhalt der Kirche kann von der Gemeinde nicht mehr erbracht werden.

Der langsame Verfall der „Grote Kerk“, der Hauptkirche Wesels beginnt. Teilweise wird sie sogar zweckentfremdet. So ist sie unter Napoleons Besatzung Pferdestall und Magazin. 1868 wird die Willibrordi-Kirche schließlich wegen Baufälligkeit geschlossen.

Ihren Wiederaufbau verdankt die Kirche der Unterstützung des deutschen Kaiserhauses und dem Zeitgeist, unvollendete gotische Kirchen fertig zu stellen. Berühmtes Beispiel hierfür ist der Kölner Dom.

Willibrordi-Dom Ende des 19. Jahrhunderts
Quelle:  Prof. Dr. Dr. Deurer

Die Willibrordi - Kirche sollte nach den Plänen des Baumeisters Gerwin von Langenberg von1501 unter Einbringung neugotischer Korrekturen und Ergänzungen vollendet werden. Grundsteinlegung war der 10, November 1883. Das Hochschiff bekam sein Gewölbe, was sich im optisch dominierenden Strebewerk außen widerspiegelte. Der Chorumgang wurde errichtet, die Giebelseite rekonstruiert. Der Turm erhielt einen 101,80 m hohen Turmhelm. Im Jahr 1896 konnte die Einweihung gefeiert werden.

50 Jahre später, 1946, ist die Kirche wieder zerstört. Die Bombenangriffe der Alliierten im Februar/März 1945 haben auch den Willibrordi-Dom schwer beschädigt. Mit der Gründung des Dombauvereins 1947 wurde der Wiederaufbau der Stadtkirche eingeläutet.

Zwei Möglichkeiten standen zur Auswahl. Sollte man den neugotischen Dom wieder aufbauen, oder eine „Rückführung“ des Kirchenbaues auf die Ausbaustufe von 1540 wagen? Man entschied sich für eine purifizierte Rekonstruktion des mittelalterlichen Kirchenbaues, angelehnt an die Pläne des damaligen Baumeisters Gerwin von Langenberg und seines Sohnes.

Ruine des Doms nach dem Krieg. Quelle: Stadtarchiv Wesel

Das Strebewerk wurde zurückgeführt, alle weiteren neugotischen Stilelemente entfernt. Der Chorumgang wurde beibehalten. 1952 wurde der hohe Chorraum als Kirchenraum eröffnet, 11 Jahre später die neue Karl-Straube-Orgel eingeweiht. Der Innenraum stand 1968 vor seiner Fertigstellung. Der neue Turmhelm löste 1978 die flache Nothaube ab. Mit der Aufbringung des Chor-Reiters im Jahr 1994 wird der Wiederaufbau der Willibrordi-Kirche abgeschlossen.

Schauen wir heute auf den Willibrordi-Dom, so sehen wir ein bisschen auch die Kulisse, in der die Reformation zu Ostern 1540 endgültig in Wesel ankam.

 

Der Willibrordi-Dom damals und heute

Marktplatz am Willibrordi-Dom

Neu erbauter Dom auf dem im Krieg völlig zerstörten Marktplatz

Willibrordi-Dom und restauriertes Rathaus

Neuer Dom und neu restauriertes Rathaus auf dem alten Marktplatz

Willibrordi-Dom

Im Krieg zerstörter Willibrordi-Dom auf dem Markplatz heute