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Am 19. September 1958 wird das Weseler Bühnenhaus mit einer Festveranstaltung feierlich eröffnet

Das Weseler Musik- und Theaterleben war nach dem Zweiten Weltkrieg auf Spielstätten wie das Stadtkasino am Kurfürstenring oder den Saal Schnelling an der Schermbecker Landstraße angewiesen, die als Provisorien schon früh zur Verfügung standen. Diese Lösungen stießen schon Mitte der 1950er Jahre aufgrund des großen Zuspruches für ein immer anspruchsvolleres Theater- und Konzertprogramm an ihre Grenzen. 1954 wurde von der Stadtverwaltung die Schaffung eines größeren Theaterraumes als zwingend erforderlich erachtet.

Die Möglichkeit, das Projekt „Städtisches Bühnenhaus“ zu realisieren, bot sich bereits 1955. Bei der Einweihung des zweiten Bauabschnitts des heutigen Andreas-Vesalius-Gymnasiums warb Stadtdirektor Reuber bei den Vertretern des Kultusministeriums für den dritten Bauabschnitt, die Errichtung von Turnhalle und Aula. Er berichtete von vorhandenen Plänen der Stadt, um die aktuelle Theaterraumnot mit dem dritten Bauabschnitt zu beheben. Die Stadt hatte die Möglichkeiten von Doppelnutzungen mit dem Theater untersucht, da der Bau eines eigenen Theaters von der Stadt nicht getragen werden konnte. Die attraktivste Lösung war der Bau einer Aula, die auch als Theaterraum genutzt werden konnte, weil es dafür beträchtliche Landesmittel gab. Die Erhöhung der Kapazität der Aula aufgrund eines Erlasses des Kultusministers von 450 auf 772 Plätze passte in die städtische Konzeption. Im Oktober 1956 stimmte der zuständige städtische Ausschuss dem Projekt zu. Die Gesamtkosten waren mit einer Million DM veranschlagt. Die Finanzierung war allerdings noch nicht gesichert, zumal die Kosten aufgrund der notwendigen technischen Einrichtung um 50 Prozent anstiegen. Die Gesamtsumme wurde am 9. September 1958 – zehn Tage vor der Eröffnung des Bühnenhauses – vom Rat beschlossen. Finanziert wurde das Theater-Aula-Projekt über Landesmittel, städtische Gelder sowie Spenden der Weseler Wirtschaft und Bürgerschaft, wozu es 1957 einen Spendenruf gab.

Mit dem Bau wurde am 11. Februar 1957 begonnen. Der Rohbau war am 16. April 1958 fertig. Danach musste mit Hochdruck an der Baustelle gearbeitet werden, da die Eröffnung bereits für den 19. September 1958 terminiert war. Der äußerst enge Zeitplan wurde eingehalten, weil die Bauleitung und eine dafür zuständige städtische Arbeitsgruppe den Baufortschritt streng beaufsichtigten. Es kam dem Projekt hier zugute, dass die Arbeiten am Bühnenhaus überwiegend von Weseler Firmen durchgeführt wurden. Die Stadtverwaltung war stolz, dass das Projekt mit eigenen Firmen umgesetzt werden konnte und die einheimischen Firmen, die ja auch Sponsoren waren, hatten ein Interesse daran, aus Prestigegründen keinen Verzug zuzulassen bzw. diesen durch Mehrarbeit aufzufangen.

Am 19. September 1958 war es soweit. Die Stadt lud zur feierlichen Eröffnung ein. Die Einladungsliste war lang und die Gäste aus Politik, Verwaltung, Kultur und Schule kamen, um zu sehen, was Wesel in kurzer Zeit quasi aus dem Boden gestampft hatte. In der Einladung betonte die Stadt ausdrücklich, dass das Bühnenhaus den allgemeinen Wiederaufbau nun im kulturellen Bereich krönt. Die Stadt sei aus Schutt, Trümmern und Ruinen neu erstanden; entsprechend ziert das Relief des Vogel Phönix als Kunst am Bau die Längsseite des Theaters. Nach den Ansprachen von Bürgermeister Kurt Kräcker und Stadtdirektor Karl-Heinz Reuber hielt Professor Carl Niessen, Universität Köln, den Festvortrag über die kulturelle Sendung des Theaters. Umrahmt wurde der erste Teil des Festaktes mit dem Konzert für zwei Orchester F-Dur von Georg Friedrich Händel. Nach der Pause führten die Städtischen Bühnen den dritten Akt der Wagner-Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ auf. Die komplette Oper eröffnete einen Tag später die Spielzeit 1958/59.

Die Resonanz auf dieses Kulturereignis war groß. Der WDR berichtete im Radio und im Fernsehen. Die Presse berichtete bundesweit. Das Interesse an dem Weseler Modell zur Finanzierung des Bühnenhausbaues über den Bau einer Schulaula führte zu zahlreichen Besuchen und mindestens einem weiteren auf diese Weise umgesetzten Theaterbau in Herford.

Mit der Eröffnung begann eine bis heute andauernde Erfolgsgeschichte einer kleinen Stadt von damals 30.000 Einwohnern, die sich ein Bühnenhaus leistete, das bis heute den Zweck erfüllt, den sich die „Macher“ in den 1950er Jahren von ihrem Projekt „Städtisches Bühnenhaus“ erwartet hatten.

(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)

Abbildung: Der Eingangsbereich und ein Teil des Foyers im Rohbau (StAW, Slg. Reuber)