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Am 1. April 1869 wird das Dampfsäge- und Hobelwerk August Böhm gegründet

Über viele Jahrhunderte hinweg gehörte Holz, der Baustoff des Mittelalters, zu den wichtigen Waren, mit denen Weseler Kaufleute handelten, und die zugleich in Wesel auch bearbeitet wurden. Weseler Kaufleute gehörten zu den großen Holzhändlern auf dem Rhein, die sowohl lippische Eiche wie auch Eiche und andere Hölzer aus oberrheinischen und im Maingebiet befindlichen Wäldern zum Teil auf den berühmten riesigen Holländerflößen in die Niederlande transportierten. Neben Rohholz wurde schon im frühen 14. Jahrhundert auch geschnittenes Holz verladen. Dieses Holz wurde von den in Wesel zahlreich vorhandenen Holzschneidern zurechtgeschnitten und per Floß in die Niederlande transportiert. Weselsche Balken war eine schon im 14. Jahrhundert bekannte Marke und der Weseler Schiffsfuß ein auch in den Niederlanden gebräuchliches Maß. Verschifft wurden im Spätmittelalter sogar Häuser und Windmühlen, d.h. die entsprechend zugeschnittenen Ständerwerke, auf Bestellung verschifft.

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich im Weseler Hafen die Herkunft des zu bearbeitenden Holzes, das nicht mehr aus Westfalen, sondern aus dem Schwarzwald und aus Skandinavien, später sogar aus Russland kam. Zu den Sägewerken, die das angelandete Holz verwerteten, gehörte seit dem 1. April 1869 auch das Dampfsägewerk August Böhm. Das Werk befand sich in Fusternberg an der Lippe. Es lag westlich des alten Wasserwerks im Lippebogen und erstreckte sich an der Fusternberger Straße längs der Eisenbahnstrecke nach Münster von der Schillwiese bis zum Wasserwerk. Firmengründer war der Weseler Zimmermeister August Böhm (1833–1901). Er hatte die Zeichen der Zeit erkannt und ein Sägewerk nebst Holzhandlung gegründet, das ganz auf das Ruhrgebiet und dessen Bedarf an Bau- und Grubenholz ausgerichtet war. Verarbeitet wurde Stammholz, zumeist Nadelhölzer, aus österreichischen, süddeutschen und ostpreußischen Wäldern. Daneben wurde gesägtes Holz aus Schweden und Russland verarbeitet. Das Holz kam über den Rhein zum Sägewerk in die Lippe. Die riesigen Tannenflöße mussten zerlegt werden, da nur kleinere Einheiten die Lippe passieren konnten. Diese schleppte man entweder in den Fusternberger Lippehafen oder gleich vor die mächtigen Blockaufzüge, über die die Stämme zu den Pendelsägen transportiert wurden. Die Schnittware konnte im Werk auf Waggons verladen und per Bahn transportiert werden. Für die nähere Umgebung standen eigene Holzwagen und Pferde zur Auslieferung bereit.

Im Jahr 1901 übernahm Böhms gleichnamiger Sohn August das Werk und erweiterte es 1903 um einen Hobelei-Betrieb. Das Sägewerk war das größte seiner Art in Wesel und zählte zu den größten im Rheinland. Im Jahre 1912 waren dort 22 Angestellte und 120 Arbeiter beschäftigt. Es verarbeitete durchschnittlich etwa 10.000 Tonnen Hölzer pro Jahr. 1928 verarbeitete man 36.000 Kubikmeter Holz, was zwölf großen Rheinflößen à 3.000 Tannen entsprach.

Bis zur Besetzung des Ruhrgebietes durch Belgier und Franzosen gab es bei Böhm allenfalls Probleme mit der versandenden Lippe sowie finanzielle Schwierigkeiten wegen fehlender Rücklagen etwa bei Streiks. Die Besetzung des Hafengebietes durch belgische Truppen am 12. Februar 1923 legte das von der Schifffahrt abhängige Weseler Wirtschaftsleben still. Böhm erhielt kein Holz mehr und musste den Betrieb mit mittlerweile 250 Beschäftigten stilllegen. Der Betrieb konnte nach dem Abzug wiederaufgenommen werden, doch die Folgen der Weltwirtschaftskrise führten dazu, dass das Dampfsäge- und Hobelwerk Böhm nach 1931 wohl wegen fehlender Rücklagen in Konkurs ging und – wie eine Reihe anderer Weseler Großbetriebe in der Weimarer Zeit auch – geschlossen werden musste.

(Autor: Dr. Martin Wilhelm Roelen)

Abbildung: Teilansicht des Holzlagers der Firma Böhm (StAW O1a 6-2-16_17)