Religion
Schon der Anfang Wesels beginnt mit einer Kirche. Neben dem fränkischen Gutshof steht im Bereich des heutigen Weseler Stadtkerns eine Holzkirche in Stabbauweise, Vorgänger des heutigen Willibrordi-Doms. Sechs Nachfolgebauten werden folgen.
Wesel ist im ausgehenden 13. Jahrhundert eine junge aufstrebende und schon sehr wohlhabende Handelsstadt.
Für das seelsorgerische Wohl der Stadt finden immer wieder Stiftungen statt. Natürlich auch für ihr eigenes Seelenheil, stiften Männer wie z.B. Henrik van Lone, Graf Dietrich der VIII., Herzog Adolf I., oder die Eheleute Wissnick und andere Weseler Bürgerinnen und Bürger neue Klöster und Schwesternhäuser. So entsteht schon in der Nähe des vorstädtischen Wesels das Prämonstratenserinnenkloster in Oberndorf. Jetzt, Ende des 13. Jahrhunderts, folgen die Augustiner, die Dominikaner, die Johanniter, die Franziskanerinnen und die Fraterherren. Weiterhin werden die Beguinen- und Schwesternhäuser Mariengarten, Alter Konvent, Alter Tempel und der Konvent uppen Sande gestiftet.
Neben dem Willibrordi-Dom entsteht ab 1440 mit dem Ausbau der Vorstadt Mathena ein zweiter Pfarrbezirk mit der großen Mathenakirche.
Im Jahr 1517 wird diese alte Ordnung allerdings erschüttert. Wir befinden uns in einer Zeit, wo der Klerus verweltlicht. Die Bibel kann nur der lesen, der Latein versteht. Die Kirche spielt mit der Angst der Menschen vor dem Fegefeuer. Und sie verdient damit Geld. Mit Erwerb eines Ablassbriefes kann man sich von seinen Sünden freikaufen, dem Fegefeuer so entgehen. Der Petersdom in Rom und der kostspielige Lebenswandel der Kirchenfürsten kosten Geld und der weltliche Adel verdient auch etwas daran mit.
Das und mehr klagt der Augustinermönch Martin Luther an. Er tritt damit eine Lawine los, die Europa in den nächsten 150 Jahren mit Krieg und Elend überziehen wird.
Seine Lehren verbreiten sich schnell. Als Handelsstadt ist Wesel auch Umschlagsort für Neuigkeiten. So ist es nicht verwunderlich, dass die Weseler sehr früh an den Lehren Luthers Gefallen finden. Auf dem großen Markt überreichen am Palmsonntag, dem 21. März 1540, nach dem Abendgottesdienst fünf Bürger ein Bittgesuch an den Bürgermeister Wessel von Bert. Man soll das Heilige Abendmahl nach der neuen Glaubensform austeilen. Unter beiderlei Gestalt, also Brot für den Leib, und Wein für das Blut Christi. Und so fand am 1. Ostertag 1540 die Sakramentsausteilung unter Beteiligung von 1500 Gläubigen in dieser neuen Form statt. Damit war Wesel eine protestantische Stadt.
Dem humanistischen Einfluss des Konrad von Heresbach kommt dabei eine mittragende Rolle zu. Als Erzieher des Sohnes von Herzog Johannes III., Wilhelm V., hatte er großen Anteil an der maßvollen Kirchenreform in Wesel. Ihm verdankte die Stadt die Duldung ihres Konfessionswandels durch den Landesherrn. Es ging aber nicht nur um die Religion. Machtpolitische Auseinandersetzungen, wie der Streit um Geldern, zwischen dem katholischen Kaiser Karl V. und dem der Kirchenreform angenäherten Herzog Wilhelm V., hatten ihren Einfluss auf den Verlauf der Reformation.
Mit Beginn des 80-jährigen Krieges in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts zwischen den katholischen Spaniern und den calvinistischen Niederlanden kommt es zu vermehrten Flüchtlingswanderungen gen Westen. Als protestantische Stadt ist Wesel erste Station hinter der Landesgrenze. So treffen nun niederländische Calvinisten auf die überwiegend lutherischen Weseler. Durch die hohe Zuwanderung nimmt der calvinistische Einfluss auf die Glaubensgemeinschaft allerdings zu. So werden 1562 die Chorröcke veräußert und das Heiligenhäuschen bei Flüren abgerissen. Im Weseler Konvent von 1568 wird der Grundstein für eine reformierte Kirchenverfassung gelegt. Den verbliebenen lutherischen Weselern bleibt es aber bis Anfang des 18. Jahrhunderts untersagt, eine eigene Gemeinde in Wesel zu bilden. Sie halten ihre Gottesdienste in Privathäusern ab.
Wirtschaftlich waren die Flüchtlinge eine Bereicherung für die Stadt. Sie erhielten soziale Unterstützung durch den Magistrat, damit sie z.B. ihren Unterhalt selbst bestreiten konnten. Das brachte der Stadt den Ehrentitel „ Vesalia Hospitalis – Gastfreundliches Wesel“ ein. Das Handwerk in Wesel wurde gestärkt. Die Einführung von neuen Gewebearten führte Wesel u.a zu einer neuen wirtschaftlichen Blüte. Nicht alle Flüchtlinge bleiben in Wesel. Als sich die Situation entspannt, gehen viele wieder zurück in Ihre Heimat. In der preußischen Festungszeit im 18. Jahrhundert nimmt der lutherische Einfluss durch Zuzug preußischer Verwaltungsbeamter und Soldaten wieder zu.