Wunder aus Trümmern
Standortfaktoren in Wesel - Freizeit in den Wirtschaftwunderjahren
„Alles fand mitten in der Stadt statt“
Ingrid und Winfried Evertz
Natürlich stand auch im Wesel der 1950er/1960er Jahre bei der Freizeitgestaltung der Sport im Vordergrund. Er war Ausgleich für Existenzängste, mental oder körperlich harte Arbeit, Flucht bei den damals oft beengten Wohnverhältnissen und eine Möglichkeit, sich außerhalb der Familie zu begegnen.
Vor der Erfindung des Internets waren Treffen in Sportgruppen oder bei Sportveranstaltungen der massentaugliche Ort, an dem man sich sah, Sorgen vergessen konnte und Neuigkeiten austauschte. Für die Jugend bedeuteten diese Begegnungen einige der damals wenigen Gelegenheiten, ohne mehr oder minder strenge Sittenwächter auf das andere Geschlecht zu treffen. So hieß der einzäunte Tennisplatz für Frauen der Weseler Ruder- und Tennisgesellschaft im Volksmund nicht umsonst „Verlobungszwinger“. Der Heubergsportplatz bot um 1955 eine der Gelegenheiten, mitten in der Stadt Sportveranstaltungen zu folgen. Mit dem Fahrrad – dem Hauptverkehrsmittel der meisten Weseler in dieser Zeit – ging es nach der Arbeit zu diesen Verabredungen.
Freizeitangebote waren für Wesel aber auch ein wichtiger Standortfaktor. Nicht umsonst bemühte sich Stadtdirektor Dr. Reuber schon früh ganz gezielt um ein zusätzliches Kulturangebot. Mit dem am 11. Juli 1950 auf seine Anregung hin gegründeten Kulturring, der die kulturfördernden Initiativen bündelte, konnte schnell ein überraschend umfangreiches Programm „aus allen Wissensgebieten“ zu vergleichsweise erschwinglichen Preisen zusammengestellt werden. Es diente ihm unter anderem zur Anwerbung der dringend benötigten Fachkräfte aus Großstädten wie z.B. Berlin. Für sie und ihre Familien musste Wesel auch in dieser Hinsicht attraktiv sein. Die Neueröffnung des Städtischen Bühnenhauses am 19. September 1958 mit bundesweiter Resonanz stellte einen der Höhepunkte seiner Bemühungen um das Weseler Kulturleben dar.